Ideenlese

Es ist angeröstet


Die Hüterin des Feuers

Was mache ich hier eigentlich? Was von alldem hat etwas mit mir zu tun? Welche Position auf dem Lernfeld des Lebens habe ich inne, kann ich bespielen?

Heute ist der erste Tag, an dem ich mich wirklich alleine fühle. Alleinreisend. Alleinstehend. Was faktisch falsch ist, aber es geht um das Gefühl. Allein ist nicht einsam.

Morgens um 6

Vielleicht ein neuer Wachstumsschritt? Hören wir jemals auf, erwachsen zu werden? Hört er irgendwann auf, dieser Wachstumsschmerz? Nach dem Tod, vermutlich, mutmaßlich.

Heute ist der erste Tag, an dem ich mich frage, was ich hier eigentlich will. Es ist auch der Tag, an dem ich entscheide, dass es das letzte Mal ist, dass ich diesen Ort, Castelo de Vide im Alentejo, in Ostportugal, besuche, sesshaft werde für ein paar Wochen. Bis auf Weiteres. Endgültigkeit ist fragil.

Aller guten Dinge sind drei? Es ist vorbei? Die Liebe, das Gefühl, dass ein Teil von mir hier Heimat findet, gefunden hat, bleibt. Immerwährend, und doch muss ich, will ich weiterziehen, entdecken, reisen.

Die Erkenntnis tut weh. Brüche tun weg. Abbruch, Aufbruch, etwas bricht weg. Man wird gebrochen, bricht mit etwas oder jemandem, kotzt, übergibt sich, sagt sich los, entgiftet, Reset.

Wir sind hier, um zu lernen. Bin ich dazu überhaupt bereit, zu lernen, mit allen Konsequenzen, allen Entwicklungen, Veränderungen?

Welche Position habe ich, hast du auf dem Lernfeld des Lebens?

Barragem de Póvoa e meadas

Philosophie war ursprünglich als ein Weg gedacht, das Leben lebenswerter zu machen, dem Lebenden Mittel an die Hand zu geben, mit denen er sein Leben von unnötigem Leid befreien kann. Dieser Gedanke zieht sich in der Antike durch alle Philosophien und irgendwann scheinen wir ihn im Laufe der Zeit verloren zu haben. Gerade in schwierigen Zeiten finde ich es wichtig, sich wieder daran zu erinnern und die Philosophie zurück ins Leben zu holen. Denn: Was nützt alle Weisheit und alles Gebildetsein, wenn sie nicht dem Leben dient? Sonst werden wir zu blossen Gefässen für Inhalte, statt zu lebensklugen Akteuren in unserem eigenen Leben.

Sandra von Siebenthal

Akteur im eigenen Leben sein. Das eigene Feuer hüten, Ring of Fire, was nicht schmilzt, hat Bestand, wird in der Asche gefunden. Der Rest verbrannt, ashes to ashes.

Olivenbäume mögen Asche. Kalt muss sie sein.

Hüterin des Feuers, meine Position auf dem Lernfeld des Lebens.



14 Antworten zu „Die Hüterin des Feuers”.

  1. Oh man, Tag 3 und du bist schon so deprimiert und fühlst dich einsam? Oder verstehe ich das falsch…. :-/

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    1. Hi meine Liebe! Das verstehst du falsch, ja. Von einer Depression bin ich weitest entfernt. Das Alleinsein bietet viel Raum und Zeit und dann stellen sich „Dinge“ ein, Leben passiert, Fragen, die auf Antwort warten, drängen. Erkenntnis vielleicht, sogar?
      Ich neige zur Tiefe, zum Zweifeln, hinterfrage, prüfe, will ergründen; und verstehe doch wenig. So wenig!
      Saudade ja, deprimiert, nein.
      Es ist auch die Mystik des dritten Tages, viel Symbolik, eine Spur Heimweh, Erinnerung und der Blick in die Weite des Seins, des Herzens, ins Wirrwarr des „fidelium absurdum“.
      Also, alles gut. Wirklich ♥️

      Gefällt 5 Personen

      1. Da bin ich ja beruhigt. Und ja, wenn man im Land seines Herzens ist, kommt so manches hoch, was an Emotionen ansonsten in der ständigen rushhour untergeht. Aber das ist gut so. Und ich glaube, es liegt wirklich an diesem Land! Das geht auch mir immer an die Seele. Habe im letzten Urlaub einen Moment gehabt, wo mir einfach so die Tränen kamen, ob der Schönheit des Moments, des Landes, des Ortes an dem ich war und dem Licht, was wirklich einzigartig ist und jede Stimmung noch heller aufflackern lässt….
        Stell dich den Fragen und genieß die(se) Stimmung. ❣
        Ganz viele Grüße Bea

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        1. Ja. So ist es hier! Besonders „energetisch“, das Leben viel einfacher und doch intensiver.
          Und: bei mir war emotional in den letzten Wochen vor Abreise viel los, das gesamte Spektrum zwischen Leben, Liebe, Tod, geballt.
          Auch brauche ich Zeit, um erstmal an- und runterzukommen.
          Ginge es mir schlecht, würde ich nicht öffentlich schreiben.
          Danke für deine Fürsorge. Das ist schön, Bea!

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          1. Das ist nicht schön, das ist selbstverständlich. 😉
            Weiterhin alles Gute gewünscht…. 🍀

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          2. Danke. Bin da nicht gerade verwöhnt in der „Sache“ 😉

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    2. Allein ist nicht einsam.
      Alleinsein ist was sichtbares, Einsamkeit entsteht im Kopf und im Herz. Man kann trotz Gesellschaft schrecklich einsam sein.
      Den Unterschied zwischen den beiden hab ich irgendwann gelernt, und es war der erste Schritt zur Besserung.
      Seitdem bin ich zwar genauso oft alleine wie vorher, aber die einsamen Tage werden immer weniger.
      Jesus sei Dank!

      Gefällt 2 Personen

  2. „Hüterin des Feuers“, das hört sich großartig an!

    Das Feuer, es zu erhalten, war der erste große (Wissens)Schatz der Menschheit.
    Zweifeln, fragen, hinterfragen, lernen, wachsen, leben – neue Erkenntnisse gewinnen, stetig, immerfort (es gibt kein Erwachsen-werden; denn Erwachsensein wäre das Ende, der Tod) bedeutet: Mensch sein.

    Aber ist Wachstum (Entwicklung, Veränderung, Lernen, auch Altern) nicht ein wunderbarer Prozess? Kann der mit Schmerz verbunden sein? (Ja, doch, ich erinnere mich an die „Schmerzen“ von Frauen beim Gebären. Ich schreibe Schmerzen hier in Anführungszeichen, weil ich diese Schmerzen von Schmerzen unterscheiden möchte, die durch Krankheiten oder Verletzungen ausgelöst werden; erstere haben etwas Positives zur Folge, letztere eher Negatives).

    Ich hoffe, Du hast „positive“ Schmerzen…
    Du hörst Dich auf jeden Fall gut an…
    Schau Dir den Alentejo noch einmal besonders intensiv an! (auch für mich; denn ich werde wahrscheinlich nie dorthin kommen…)

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    1. Danke Jürgen.
      Ich würde jetzt gerne, vielleicht an der Feuerstelle im Alentejo 😉, mit dir reden, plaudern, den Faden aufnehmen.
      Die Kommentarzeile setzt Grenzen. Aber, ja, ich denke es sind „positive“ Schmerzen – früher oder später.

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      1. Wir reden doch, wir plaudern doch, wir nehmen doch Fäden auf, in begrenzten Kommentarzeilen! Die Menschheit hat es mit all ihren Fragen und Erkenntnissen dahin gebracht, dass wir fast so miteinander kommunizieren können, als säßen wir zusammen an einer Feuerstelle im Alentejo – obwohl 3000 Kilometer zwischen uns liegen.
        Das ist doch ziemlich großartig, Hüterin-des-Feuers, oder?

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        1. Ja. In der Tat 👌😊

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  3. Siehstema, Blogs sollte man nicht rückwärts lesen. Hier kommt sie zuerst vor, die Hüterin des Feuers, und wird später zitiert. Na ja, so hab ich mich dann auch mal gewundert

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    1. Geht doch nichts über ein kleines Wunder(n).

      Gefällt 1 Person

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