Eine Frau, die sich die Haare abschneidet, trägt sich mit dem Gedanken, ihr Leben zu ändern.
Begleitete Schritte auf einer kurzen Wanderung. Koronarsport. Der Hauch einer Erinnerung daran, welche Sinne die noch zögerliche Sonne zu wecken in der Lage ist. Leben. Da ist so viel Leben in mir. Woher kommt dieser Druck, dieses Schlagen, diese Enge?
Dass es das Herz ist, überrascht mich nicht. Ich kenne das kämpferische Spiel zwischen Kopf und Herz. Migräne und Herzstolpern.

Nur die Spitzen sage ich. Weniger ist mehr antwortet sie. Und das Grau? Mehr oder Weniger? fragt sie.
Ich antworte schweigend, entspanne mich und spüre, dass das Medikament wirkt. Nächstes Jahr werde ich 60.
Ja. Nächstes Jahr werde ich 60. Komisch. Diese 60. Wenn … wenn was? Ich habe das Eine fast überstanden, dann werde ich doch auch das hier schaffen. Es gibt doch Möglichkeiten. Farbe gegen die Angst?
Sie sind noch nicht bereit für Grau. Ihre ganze Ausstrahlung, Ihr Wesen, das passt nicht zu grau. Und ich sage das nicht, weil ich als Friseurin davon profitiere.
Ich denke darüber nach sage ich.
Sie sind so eine coole Frau sagt sie.
Ich werde rot und lächele sie im Spiegel an.
Ich stufe ganz filegran, nur minimal, für die Lebendigkeit sagt sie.
Nur die Spitzen? In den Spitzen viel zu hoch, bedenklich hoch, bedrohlich und dann das andere Extrem des rapiden Abfalls.
Der Kardiologe kommt zum Einsatz, Ultraschall, wieder mal Blutpröbchen, in den Becher pieseln, ach, die Niere, ja es ging mir sehr viel an die Nieren in den vergangenen Wochen und Monaten.
Eine Frau, die sich die Haare abschneidet, verändert sich in genau dem Moment, in dem die Schere die Spitzen vom Rest des Haares trennt. Cut.
Ich liege, ruhe hinein in den Sonntag, der schwarze Tee im kleinen Glas hat die richtige Temperatur. Noch heiß, doch nicht zu heiß, um die Zunge brennend taub zu machen.
Zwischen brennen und taub denke ich was ist dazwischen? Gibt es eine Verbindung? Leben? Elastizität des Seins? Elastizität des Willens?
Mehr Spitze, es nicht auf die Spitze treiben, nicht spitze sein müssen und doch, so richtig spitz auf etwas oder jemanden sein, spitze Zunge? Warum nicht – ab und zu?
Und dann, irgendwann, mit der Zungenspitze …
Nur die Spitzen.
Cut.
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